Netzwerk Didaktik

Um die didaktisch Verantwortlichen an den polizeilichen Bildungseinrichtungen noch näher zusammenzubringen, den fachlichen Austausch zu vertiefen und gemeinsame Veranstaltungen sowie Weiterbildungen durchzuführen, stieß die HPK 2016 einen Prozess zur Gründung des Netzwerks „DIDAktik“ – Kooperation Hochschuldidaktik Polizei an.

Seither treffen sich die Vertreterinnen und Vertreter jährlich an wechselnden Orten, um aktuelle Themen rund um die Lehre in Ausbildung und Studium zu besprechen. Neben 15 Bundesländern sind auch die Hochschule des Bundes sowie die Deutsche Hochschule der Polizei (DHPol) Teil des Netzwerks.

Zu den Themen der vergangenen Jahre zählten unter anderem E-Learning, Online-Lehre und hybride Lehrformen, Abschlussarbeiten oder berufsspezifische Anforderungen an Hochschullehre in Polizeistudiengängen.

(c) FH Sachsen_Anhalt

Beitrag

Lernarchitektur heute –
Sicherung des Lernerfolgs durch analoge und digitale Lehr- und Lernmethoden

Dr. Dela-Madeleine Halecker[1] und Dr. Heike Matthias-Ripke[2] (Polizeiakademie Niedersachsen); Annika Großkrüger,[3] M.A. (DiBiPol Hamburg), Dr. Waltraud Nolden[4] (Fachhochschule Polizei Sachsen-Anhalt)

Publikation in LLD Jg 4/Heft 8 – Veröffentlichung im Frühjahr 2023 / http://www.lehrelernendigital.de

Das Netzwerk DIDAktik (Kooperation-Hochschuldidaktik-Polizei)[5] hat am 01. und 02.12.2022 zum 11. Mal getagt und widmete sich nach zwei Jahren Erfahrungen mit der digitalen Lehre in polizeilichen Studiengängen ausführlich dem Thema Lernerfolg. Neben fachlichen Vorträgen formulierten die Teilnehmer:innen einige Anforderungen, die auf den Lernerfolg zielen sowie die Chancen und Risiken digitaler Lehre in den Blick nehmen und schließlich die gelungene Verbindung von analoger und digitaler Lehre erörtern. Diese Grundsätze sind sowohl als Bilanz als auch als Anregungen zur weiteren Diskussion zu verstehen.  

1. Neue Wege zum Lernerfolg? Was brauchen Studierende in polizeilichen Studiengängen?

Der Studiengang, der für den Polizeiberuf ausbildet, verbindet Theorie und Praxis und soll ebenso für den Beruf sozialisieren. Im Polizeiberuf sind besondere Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kompetenzen gefordert, die im Laufe des Studiums ausgebildet werden, d.h., dass neben Fach- und Methodenkompetenzen, insbesondere Sozial- und persönliche Kompetenzen zu fördern sind. Deshalb darf in der Hochschulausbildung nicht nur die Wissensvermittlung im Vordergrund stehen, sondern die Schlüsselqualifikationen für den Beruf müssen bereits in den Lehr- und Lernsettings berücksichtigt werden.

Für ein gelungenes Studium, sind nach Empfehlung der Teilnehmer:innen der Netzwerktagung notwendig:

  • Wissensmanagement und Medienkompetenz

Dazu gehört nicht nur die angemessene Vor- und Nachbereitung der Lehrinhalte, sondern auch das Wissen darum, für die Qualifikationsarbeiten seriöse und aussagekräftige Quellen zu erkennen und anzuwenden. Deshalb muss eine besondere Bedeutung auf die Technik wissenschaftlichen Arbeitens – auch nach Fachdisziplinen (Recht, Sozialwissenschaften…) – gelegt werden. Informationen finden und bewerten sind zentrale Kompetenzen für das Studium und das lebenslange Lernen.

  • Fähigkeiten und Fertigkeiten

Besondere Fähigkeiten und Fertigkeiten brauchen Polizeibeamt:innen in den verschiedensten Gesprächssituationen. Dazu gehören u.a. bei Vernehmungen die gleichzeitige volle Aufmerksamkeit auf das Gegenüber und die Verschriftlichung des Gesagten (Multitasking in Vernehmungssituationen). Das Training und die Schärfung der Wahrnehmung in vielfältigen Alltagssituationen sollten einen zentralen Stellenwert in der Ausbildung einnehmen. Das gilt auch für andere Standardsituationen im polizeilichen Alltag.

  • Selbstgesteuertes Lernen

Die Studierenden müssen in der Lage sein, eigenständig und effektiv zu lernen. Einerseits geht es um die Eigeninitiative beim Lernen, andererseits um die Planung und Strukturierung des Selbststudiums. Dafür müssen sie Zeiträume haben. Außerdem benötigen sie Lernräume in den Hochschulen, die das gemeinsame Lernen, z.B. in Arbeitsgruppen, ermöglichen und fördern. Das dient nicht nur der Verfestigung des Lernstoffes, sondern auch der Teamfähigkeit.

  • Auswahl des Lehr- und Lernstoffes 

Damit sich der Lernstoff verfestigt, bieten sich regelmäßige Wiederholungen sowohl im Kontakt- als auch im Selbststudium an. Zudem ist eine Vernetzung des Lernstoffes zwischen den einzelnen Fachdisziplinen wünschenswert.

Notwendig ist eine Entschlackung des Lehrplans – dies empfehlen alle Teilnehmer:innen des Netzwerks. Eine Konzentration auf Standardsituationen für die Erstverwendung (Grundwissen) und spezielles Wissen für ausgewählte besondere Situationen (Spezialisierung) mit entsprechenden Lehrformaten und darauf abgestimmte Prüfungen versprechen ein erfolgreiches Studium. 

  • Neue Prüfungsformen

Neben den bisher angewandten Prüfungsformen sollten neue Formate entwickelt werden, die positiv auf das Lernverhalten wirken und wichtige Fähigkeiten fördern werden. Beispielsweise könnten Videopodcasts entwickelt oder Gruppenarbeiten zugelassen werden. Damit werden nicht nur Wissen, Anwendung und Analyse geprüft, sondern auch Wert daraufgelegt, wie man zusammenarbeitet und verschiedene Sichtweisen umsetzt. 

  • Umgangsmanagement

Von zentraler Bedeutung sind Situationstrainings, in denen beispielsweise Mechanismen eingeübt werden, die in Standardfällen des polizeilichen Alltags hilfreich sind.  Hiermit können in Form von komplexen Situationsübungen Wissen und Fertigkeiten aus den verschiedenen Disziplinen zusammengeführt und verdeutlicht werden, wie eigene getroffene Entscheidungen im weiteren Verlauf des Verfahrens von Bedeutung sind (z.B. Einbindung von Vertreter:innen der Staatsanwaltschaft in das Situationstraining).

  • Selbstwirksamkeit im Sinne eines Miteinanders

Von zentraler Bedeutung für den Polizeiberuf ist die Teamarbeit. Studierende sollten früh und immer wieder die Erfahrung machen, dass sie Teil dieses Teams sind und ihr Beitrag wichtig ist – im Sinne von „ich gehöre dazu, ich mache sinnvolle Arbeit“.

  • Lehrpersonal

Die Lehrenden müssen in die Fortentwicklung der Bildungsarbeit eingebunden bleiben. Technisches „Know how“ und entsprechende Didaktik für die unterschiedlichen Lehr- und Lernformen sind unerlässlich.

2. Welche Chancen und Risiken hat die digitale Lehre für den Lernerfolg?

Der radikale Wandel von der Präsenz- zur Online-Lehre zu Beginn der Pandemie bedeutete für Studierende und Lehrende in den polizeilichen Studiengängen in den letzten beiden Jahren, große Herausforderungen anzugehen. Die Online-Lehre, die mittlerweile in allen Hochschulen integriert wurde, hat viele Vorteile. Allerdings gibt es auch einige Nachteile, die sowohl von Lernenden als auch von Lehrenden wahrgenommen werden. Folgende Chancen und Risiken haben die Teilnehmer:innen ausgemacht:

2.1. Chancen

  • Die Vernetzung ermöglicht, dass viele Menschen mit wenig Aufwand miteinander sprechen oder angesprochen werden können.
  • Als zusätzliche Kompetenz kommt die Digitalkompetenz zur Fachkompetenz hinzu.
  • Das Lernen verändert sich: Neben individueller Bearbeitungszeit sind intensive Beschäftigung mit dem Lernstoff und individuelles Lerntempo möglich. Darüber hinaus ermöglicht asynchrones Selbstlernen Selbstüberprüfungen und direkte Rückmeldungen.
  • Verschiedene Zugänge zum Thema über unterschiedliche Medien bieten eine intensive Vorbereitung auf lebenslanges Lernen. Außerdem sind Übungen unabhängig von Lehrpersonen möglich.
  • Der Berufsalltag von Polizeibeamt:innen wird zunehmend digitaler. Diese digitale Lebenswelt spiegelt die Lebensrealität von Nachwuchskräften wider (Erwartung und Selbstverständlichkeit).

2.2. Risiken

  • Bei wenig Begleitung und wenig Selbstkompetenz fallen (schwächere) Lernende durchs Raster und der Studienerfolg wird gefährdet.
  • Die Kommunikation ist in der digitalen Lehre erschwert, soziale Aspekte und Beziehungsgestaltung sind schwerer abbildbar. 
  • Die Workloadzeit kann zu hoch sein, wenn zu viel wiederholt werden muss. 
  • Die Wissensvermittlung steht bei der digitalen Lehre zu sehr im Mittelpunkt, Fertigkeiten, Fähigkeiten, Kompetenzen und praktische Umsetzung werden vernachlässigt. 
  • Lernende und Lehrende verbringen viele Stunden am PC, haben wenig Bewegung. 
  • Es besteht die Gefahr der mangelnden Akzeptanz für digitale Lehre (Coronamüdigkeit).

2.3. Versuch eines Fazits: Risiken entgegenwirken durch

  • die Konzentration auf die Lernziele, daran orientierte Auswahl an Methoden und Werkzeugen,
  • den didaktisch sinnvollen Einsatz digitaler Lernelemente,
  • die Erhöhung von Kontaktmöglichkeiten und Begleitung, damit die Sicherung der Qualität insgesamt gelingen kann,
  • eine positive Haltung – Lehrende setzen Werkzeuge motiviert ein, Lernende lernen motiviert,
  • den Einsatz digitaler Lehre als Ergänzung statt als Ersatz.

3. Analoge und digitale Didaktik – wie erreiche ich die Studierenden? Rezepte zur gelungenen Lehre

Polizeiliche Studiengänge sind in der Präsenzlehre verhaftet. Deshalb gilt es, die analoge Lehre mit digitalen Formaten didaktisch sinnvoll zu verbinden. Solche Blended-Learning-Formate stellen für die Lehre eine größere Herausforderung dar. Erforderlich ist stets, Regeln (insbesondere der Kommunikation) aufzustellen. 

Als wesentliche Aspekte und Ziele einer gelungenen Lehre wurden folgende von den Teilnehmer:innen formuliert:

  • Die allgemeinen Grundlagen guter Lehre müssen beachtet werden: Strukturierung, Kommunikation, Feedback etc.
  • Die Aktivierung muss im Vordergrund stehen: Interaktionstools (Austausch) und Materialsammlung anbieten.
  • Je nach Format muss entsprechend aktiviert werden. Bei Blended-Learning-Formaten lassen sich unterscheiden:
    1. Integration in die Präsenzlehre (synchron),
    2. Anreicherung (asynchron),
    3. Virtualisierung (synchron), ganz besondere Herausforderung der Aktivierung,
    4. Hybridlehre.
  • Das Rollenverständnis als Lernbegleiter ist in der digitalen Lehre je nach Blended-Learning-Format unterschiedlich, hier sollten Austausch und Fortbildung gefördert werden.
  • Die Rahmenbedingungen müssen beachtet werden/stimmen: Arbeitsort, Setting, Technik, Lehrraumgestaltung, Tageszeit und vorangegangene Veranstaltungen etc.
  • Die Didaktik ist in Abhängigkeit zu den Fachkulturen zu sehen.

[1] Dr. Dela-Madeleine Halecker ist Professorin an der Polizeiakademie Niedersachsen im Studiengebiet 2 „Einsatz und Verkehr, Organisationslehre“. Vor ihrem Wechsel an die Polizeiakademie war sie zugelassene Rechtsanwältin mit dem Schwerpunkt Verkehrsstraf-/-ordnungswidrigkeitenrecht sowie als akademische Mitarbeiterin an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) tätig. Sie ist Mitglied im Juristischen Beirat des Deutschen Verkehrssicherheitsrates und im Vorbereitungsausschuss des Deutschen Verkehrsgerichtstages. Darüber hinaus obliegt ihr die juristische Schriftleitung und Gesamtredaktion der Fachzeitschrift Blutalkohol, herausgegeben vom Bund gegen Drogen und Alkohol im Straßenverkehr e. V. (BADS).

[2] Dr. habil. Heike Matthias-Ripke ist Professorin und seit Juni 2018 Abteilungsleiterin für Studium und Lehre an der Polizeiakademie Niedersachsen in Nienburg. Davor war sie über zehn Jahre für das Studiengebiet Sozialwissenschaften/Führung verantwortlich. Die berufliche Laufbahn begann 1988 mit verschiedenen Forschungsprojekten zu familiensoziologischen Themen. Die Autorin habilitierte sich 2004 an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, 1996 promovierte sie an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg.

[3]  Annika Großkrüger ist wissenschaftliche Mitarbeiterin für Medien und E-Learning im Projekt DiBiPol an der Polizeiakademie Hamburg. Davor war sie als Medienpädagogin und E-Learning-Managerin in der Berufsbildung tätig. Sie hat einen B.A. in Publizistik und Erziehungswissenschaften an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz sowie einen M.A. in Journalistik und Kommunikationswissenschaften an der Universität Hamburg absolviert. 

[4] Dr. Waltraud Nolden ist Professorin für Rechtswissenschaften an der FH Polizei Sachsen-Anhalt. Ferner ist sie Strafverteidigerin und Inhaberin des juristischen Repetitoriums „JurRum“. Sie gibt seit 2010 Hochschuldidaktikkurse. 2014 qualifizierte sie sich zur hochschuldidaktischen Workshopleiterin. Seit November 2019 hat sie gemeinsam mit Dr. habil. Heike Matthias-Ripke die Leitung des deutschlandweiten Netzwerkes „DIDAktik“ übernommen. Sie ist Mitherausgeberin dieser Zeitschrift. Erreichbarkeit: w.nolden@jurrum.de.

[5]  Das Netzwerk DIDAktik gründete sich auf Initiierung der Konferenz der Hochschulen und Fachbereiche der Polizei (HPK) 2016. Es ist ein deutschlandweiter hochschuldidaktischer Zusammenschluss für das Studium und die Ausbildung zum Polizeivollzugsdienst. Hierzu https://www.dhpol.de/fortbildung/hochschuldidaktik/hochschuldidaktik_digitale_lehre.php); Nolden, Waltraud/Schmidt, Sandra: DIDAktik – Kooperation Hochschuldidaktik Polizei – Ein deutschlandweites Didaktik-Netzwerk für Lehrende in Polizeistudiengängen, in: LLD 2020, Ausgabe 1, S. 71 – 72.